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Marktplatz der Eitelkeiten im Quartier Latin

Wie funktionierte Networking und Selbstmarketing für Schriftsteller im Paris der Roaring Twenties? Am Ende des Jahres 1921 traf der junge Ernest Hemingway in Paris ein – ebenso ehrgeizig wie begabt -, um ein „großer Schriftsteller“ zu werden. Lesley M. M. Blume beschreibt, „wie Hemingway seine Legende erschuf“ auf ebenso unterhaltsame wie faktenreiche Weise.

„Und alle benehmen sich daneben“ ist ein Zitat aus dem Roman „Fiesta“, der Hemingway berühmt machte und dessen Entstehungsgeschichte im Mittelpunkt des Buches steht. Und der Titel ist zugleich Programm und kann für viele der Protagonisten dieses Buches geltend gemacht werden, allen voran Ernest Hemingway selbst. 

1925 reiste Hemingway mit ebenso trinkfesten wie feierfreudigen Gefährten zum Stierkampf nach Pamplona. Die Ereignisse dieser Reise schrieb Hemingway ungefiltert und ohne Rücksicht auf die persönlichen Belange und zwischenmenschlichen Bande seiner Mitreisenden in seinem Debütroman „Fiesta“ nieder, der in Form und Inhalt richtungsweisend für die Literatur der so genannten Lost Generation war – der Generation, deren Jugend durch den Ersten Weltkrieg geprägt wurde.

Blumes Buch beginnt 1921, als Hemingway mit seiner jungen Ehefrau Hadley nach Paris kommt, um „ein großer Schriftsteller“ zu werden. Sie zeichnet nach, wie die beiden durch das Quartier Latin ziehen, in bescheidensten Behausungen unterkommen und schon bald zum engsten Kreis der Bohème des Paris der zwanziger Jahre gehören: Gertrude Stein, Sylvia Beach, John Dos Passos, Pablo Picasso, Man Ray, F. Scott und Zelda Fitzgerald. Blume beschreibt, wie selbst enge Freunde und loyale Förderer von Hemingway ihr Fett weg bekommen, sofern es seinem Ruhm zunutze ist.  Die Respekt- und Ruchlosigkeit, mit der sich Hemingway zugunsten seiner Karriere über Loyalitäten hinwegsetzt, verfolgte ich als Leserin mit einer Mischung aus Faszination und Grauen. Die zerrissene Seele, die sich hinter Hemingways bedingungslosen Streben nach Ruhm verbirgt, ist zugleich zu erahnen.

Blume erzählt die Geschichte und Geschichten der „Lost Generation“ im Paris der Zwischenkriegszeit kurzweilig, gut recherchiert und mit feiner Ironie. Sie spart vor allem am rechten Platz mit falschem Respekt vor den Ikonen des zeitgenössischen Literaturbetriebs. Ein Lese-Vergnügen!

Lesley M. M. Blume: Und alle benehmen sich daneben
Wie Hemingway seine Legende erschuf
Aus dem amerikanischen Englisch von Jochen Stremmel
ISBN 978-3-423-28109-6

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  • Beitrag veröffentlicht:21. November 2019
  • Beitrags-Kategorie:Biographie

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